Wider die Legendenbildung

Die Dienstgeberseite stand und steht zum Dritten Weg. Anders als die Dienstnehmer erschien die Dienstgeberseite zu jedem Verhandlungstermin der letzten Monate in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland (ARK DD), so auch am 14. Februar 2017.

Auf der Tagesordnung der ARK DD am 14. Februar standen u.a. Änderungsbedarfe in den Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR DD), die sich aus unterschiedlichen Gesetzesänderungen ergeben sowie die anstehende Novellierung der Ordnung der ARK DD. Ein inhaltlicher Austausch zu diesen Punkten war nicht möglich, da die Dienstnehmerseite erneut nicht zu einer Sitzung der ARK DD erschienen ist.

Darüber hinaus wurde der Beschluss der Dienstgeberseite zur Einleitung eines Schlichtungsverfahrens aufgrund einer Beschlussunfähigkeit im Rahmen der Sitzung der ARK DD formell bestätigt: Die 12 anwesenden Dienstgebervertreter votierten einstimmig dafür.

Ein Schlichtungsverfahren wegen Beschlussunfähigkeit kann eingeleitet werden, wenn die ARK DD mindestens zwei Mal nicht beschlussfähig war. Mittlerweile gab es seit Juni 2016 keine Sitzung der ARK DD mehr, in der Beschlüsse gefällt werden konnten, da die Dienstnehmervertreter an allen fünf Sitzungen nicht teilnahmen. Nicht beraten und ggfs. beschlossen werden konnten dadurch der Antrag zu einer „Paketlösung“, die die Dienstgeber eingebracht hatten. Sie stellt die Schmerzgrenze der Dienstgeber dar. Diese kleine „Paketlösung“ soll den Stillstand sei Juni auflösen. Sie dient dazu, die Vielzahl der Anträge beider Seiten auf die wesentlichen Verhandlungsgegenstände zu reduzieren und in einen Kompromiss münden zu lassen. Dieses erweiterte Dienstgeberangebot im kleinen Paket sieht u.a. eine Entgeltsteigerung von insgesamt 5,3 Prozent vor (siehe Blogbeitrag vom 12. Januar 2017). Schon heute liegt das Grundgehalt z.B. in der Entgeltgruppe 7 (z.B. Krankenpfleger/in oder Altenpfleger/in) in den AVR DD rund 100 Euro über den Gehältern als im TVöD. Verglichen mit Wettbewerbern wie der AWO NRW oder den Sana Kliniken ergeben sich oft mehrere hundert Euro Gehaltsdifferenz zugunsten der Mitarbeitenden in der Diakonie.

Der Versuch der Dienstgeber, durch eine kleine „Paketlösung“ zu einem Kompromiss zu gelangen, ist trotz immer wieder verbesserter Angebote bislang nicht erfolgreich gewesen. Der nicht erkennbare Kompromisswille der Dienstnehmer stellt sich für die Dienstgeber als fragwürdige Taktik dar. Eine weitere Beteiligung an Sondierungsgesprächen außerhalb der ARK (Sitzungen der Vollkommission) wird von den Dienstgebern daher nicht mehr mitgetragen.

Die Dienstgeber haben sehr lange darauf gesetzt – und hoffen noch immer – dass eine Verständigung mit den Dienstnehmervertretern in regulären ARK-Verhandlungen möglich ist. Nach fünf vergeblichen Anläufen sehen die Dienstgebervertreter jedoch inzwischen kaum noch eine andere Chance, als die Schlichtung einzuleiten, um eine Tarifentwicklung zu ermöglichen. Denn die Diakonie-Beschäftigten erwarten zu recht angemessene Tarifsteigerungen und die diakonischen Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Die Schmerzgrenzen der Einrichtungen sind erreicht.

Schlichtung wegen Beschlussunfähigkeit

Der kirchliche Gesetzgeber möchte Stillstand in der ARK DD verhindern. Deswegen sieht er die Schlichtung wegen Beschlussunfähigkeit vor. Der überparteiliche Schlichter, der vom Präsidenten des Kirchengerichtshofs der EKD eingesetzt wurde, wird nach dem Votum der Dienstgebervertreter in der ARK DD eine Sitzung des Schlichtungsausschusses einberufen. Der Schlichtungsausschuss setzt sich – wie auch bei regulären Schlichtungsverfahren – aus den drei benannten Mitgliedern der Dienstnehmervertreter und der Dienstgebervertreter sowie dem Schlichter zusammen. Die Schlichtung wegen Beschlussunfähigkeit ist einstufig angelegt, d.h. die Entscheidungen des Schlichtungsausschusses sind bindend. Beschlüsse müssen immer mit einer Mehrheit der Mitglieder des Schlichtungsausschusses getroffen werden – die Stimme des Schlichters kann deswegen ausschlaggebend sein.

Exkurs: Verbindliche Schlichtung – legitimes Mittel für den Interessensausgleich

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinen Urteilen vom November 2012 deutlich gemacht: Die verbindliche Schlichtung ist ein notwendiges Instrument für die Arbeitsrechtsetzung im Dritten Weg und ein dem Arbeitskampf gleichwertiges Mittel, um Interessenskonflikte auszugleichen. Schlichtungsverfahren werden auch in Tarifkonflikten anderer Branchen (z.B. Bahn, Piloten) zur Konfliktlösung genutzt.

Aktueller Stand im Schlichtungsverfahren vom Sommer 2016

Neben dem aktuell angerufenen Schlichtungsverfahren aufgrund der Beschlussunfähigkeit in der ARK DD ist noch ein weiteres Schlichtungsverfahren anhängig. Dabei geht es um die ursprünglichen Anträge der Dienstgeber und Dienstnehmer, wie sie im Februar 2016 formuliert und im Sommer 2016 im Schlichtungsausschuss erstmals beraten wurden. (Siehe Blogbeiträge z.B. vom 14. Juli oder 15. September 2016). Sowohl Dienstnehmer und Dienstgeber riefen die Schlichtung zu ihren jeweils eingebrachten Anträgen an.

Während die Dienstgeber den größten Teil ihrer ursprünglichen Anträge zurückgezogen haben, u.a. zu Flexibilisierungen nach Regionen und / oder Hilfefeldern, war seitens der Dienstnehmervertretung kaum Bewegung bemerkbar. Der Schlichtungsausschuss hat zu den damals vorliegenden Anträgen Beschlüsse gefasst, die der ARK DD zur Beratung vorgelegt wurden.

Da die Dienstnehmervertreter nicht an den Sitzungen der ARK teilnahmen, konnte die ARK die Schlichtungsergebnisse nicht beraten – dies ist im Verfahren jedoch notwendigerweise vorgesehen. An dieser Stelle „hängt“ dieses Schlichtungsverfahren.

Verantwortung wahrnehmen – Gestaltungsmöglichkeiten nutzen

Momentan ist die tarifliche Weiterentwicklung in der ARK DD aufgrund des Verhaltens der Dienstnehmervertreter blockiert. Ein Stillstand schadet jedoch allen: Den Dienstnehmern, die auf angemessene Entgeltsteigerungen warten und den diakonischen Unternehmen, die Planungssicherheit für ihre Gespräche mit den Kostenträgern benötigen. Die Dienstgeber hoffen darauf, dass die Dienstnehmer sich ihrer Verantwortung für rund 150.000 Beschäftigte in der Diakonie bewusst werden und sich wieder an den Verhandlungen beteiligen – in der ARK DD und im Schlichtungsausschuss. Ein erster möglicher Schritt dazu wäre, die eigenen Positionen gegenüber dem Schlichtungsausschuss und dessen Vorsitzendem darzulegen und so für die eigenen Anliegen ernsthaft und sachlich begründet einzutreten.